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Elternfrage: Wie ist das eigentlich mit Bewegung bei Montessori?

Bewegung spielt in der Montessori-Pädagogik eine zentrale Rolle. Maria Montessori sah Bewegung nicht als bloßes körperliches Ausagieren oder Sport, sondern als wesentlichen Teil der geistigen Entwicklung des Kindes.

Montessori beobachtete, dass Kinder durch Bewegung lernen, nicht nur ihre Muskeln zu steuern, sondern auch ihre Kognition zu entwickeln. „Was die Hand tut, prägt sich dem Geist ein.“ Bewegung ist also ein Weg, auf dem Kinder die Welt begreifen und Wissen verinnerlichen.

In einer Montessori-Umgebung („Vorbereitete Umgebung“) gehört Bewegung natürlich zur Arbeit: Kinder holen sich selbst Materialien, rollen Teppiche aus, tragen Tabletts, gießen Wasser usw. Diese zielgerichteten Bewegungen fördern Konzentration, Selbstständigkeit und innere Ordnung. Bewegung hat hier immer einen Sinn und ein Ziel – sie ist nicht Selbstzweck, sondern dient der Selbstbildung.

Montessori beschrieb „sensible Phasen“ (Zeiten besonderer Aufnahmefähigkeit) – auch für Bewegung. Kinder im Alter von etwa 0–6 Jahren haben ein starkes Bedürfnis, ihre Bewegungen zu verfeinern:

  • vom Greifen zum gezielten Handeln,
  • vom Laufen zum Balancieren,
  • vom willkürlichen zum bewussten Tun.

Die Umgebung sollte daher reich an Bewegungsmöglichkeiten sein, die feinmotorische und grobmotorische Entwicklung fördern.

Die Montessori-Umgebung jeder Altersgruppe ist so gestaltet, dass Kinder:

  • sich frei bewegen können (keine starren Sitzplätze),
  • Materialien selbstständig holen und zurückbringen,
  • Alltagsbewegungen üben (Praktische Übungen des täglichen Lebens: z. B. kehren, gießen, Tisch decken).

Diese Tätigkeiten sind nicht „Unterbrechungen“ des Lernens – sie sind das Lernen.

In Bezug auf Bewegung spricht Montessori von „Freiheit in geordnetem Rahmen“.
Kinder dürfen sich frei bewegen, solange ihre Bewegung:

  • zielgerichtet ist,
  • andere nicht stört,
  • und in die Ordnung der Umgebung eingebettet bleibt.

So lernen sie, ihre Bewegungen zu kontrollieren – eine frühe Form der Selbstdisziplin. Und da Freiheit und Disziplin zwei Seiten der gleichen Medaille sind, ist es im Sinne des inneren Selbstaufbaus von höchster Notwendigkeit, diese Selbstdisziplin so rasch wie möglich zu erlangen.

Runtergebrochen auf die einzelnen Altersgruppen:

Kinderhaus (3–6 Jahre)

In diesem Alter steht die „Verfeinerung der Bewegung“ im Vordergrund. Kinder haben ein starkes Bedürfnis, ihre Körperkontrolle zu üben – sowohl großmotorisch als auch feinmotorisch. Die Bewegung findet natürlich im Alltag statt. (Übungen des Praktischen Lebens). Diese Tätigkeiten sind das Herzstück der Bewegung im Kinderhaus: Wasser gießen, Knöpfe schließen, Schuhe putzen, Blumen pflegen, Boden wischen, Knopf annähen, Servietten falten, etc. Jedes Material ist so gestaltet, dass es präzise Handbewegungen verlangt → Koordination, Konzentration, Ordnung. Die Kinder bewegen sich selbstständig im Raum: sie holen sich das Material, arbeiten am Tisch oder Teppich, räumen es wieder auf.

Ziel ist, dass die Bewegung zweckvoll, ruhig und kontrolliert wird. Als Grundlage für die spätere geistige Arbeit.

Die Sinnesmaterialien wie Einsatzzylinder, Rosa Turm, Braune Treppe, Farbtafeln usw. erfordern gezielte Handbewegungen. Beim Tragen, Stapeln oder Vergleichen entwickeln Kinder eine präzise Auge-Hand-Koordination. Montessori nannte das die „Arbeit der Hand als Ausdruck des Geistes“.

Bewegungskontrolle auf der Linie: In vielen Kinderhäusern ist auf dem Boden eine ovale Linie. Kinder gehen darauf balancierend, manchmal mit einem Tablett oder einer Glocke, manchmal sogar mit einem Teelicht. Das schult Körperkontrolle, Gleichgewicht, Konzentration und innere Ruhe.

Schule (6–12 Jahre)

In dieser Phase verschiebt sich der Fokus. Bewegung bleibt wichtig, wird aber mehr mit Denken und sozialem Handeln verknüpft. Kinder wollen entdecken, forschen, handeln, nicht nur still sitzen. Kinder bewegen sich zwischen verschiedenen Arbeitsorten, holen Material, arbeiten in Gruppen. Bewegung unterstützt hier die intellektuelle Erforschung der Welt: z. B. mit dem Geometrie-Material, Messungen, Kartenarbeit oder naturwissenschaftlichen Experimenten.

Montessori betonte: Kinder dieser Altersstufe wollen „in der Welt handeln“. Dazu dienen die sogenannten „Going Outs“, die Arbeit im Garten. Aber auch Werkstätten und Bibliotheksbesuche sind echte Lernorte. Bewegung wird zum Ausdruck sozialen und forschenden Lernens.

Jugendliche (12–18 Jahre)

Im Erdkinderplan ist Bewegung Teil der praktischen Arbeit: Gartenbau, Tierpflege, Handwerk, in jedem Fall gemeinsames Arbeiten. Bewegung hat hier einen sozialen und produktiven Sinn – sie stärkt Identität und Verantwortungsgefühl.

 

Hier nochmal ein kurzer Überblick:

Alter

Schwerpunkt der Bewegung

Ziel

0–3 Jahre

Aufbau von Motorik

Selbstständigkeit, Kontrolle

3–6 Jahre

Verfeinerung und Ordnung

Konzentration, innere Ruhe

6–12 Jahre

Bewegung als Erforschung

Denken, Zusammenarbeit

12–18 Jahre

Bewegung als soziale Arbeit

Verantwortung, Identität